Dienstag

einsam

einsam im Herzen
und die Hoffnung lebt still
der Traum wird nicht sterben
solange es die Zuversicht will

alleine im Leben
und die Freuden sind klein
die Schönheit ist leise
doch das Glück, das ist mein

verloren im Sehnen
stellt sich Verzweiflung nicht ein
das Unglück ist freundlich
und nie wirklich Pein

Dezember 2002

Montag

verstehen

ich hab dich nur gefragt ob du mich liebst
und wollte nicht um Hilfe rufen
doch du warst viel zu sehr vertieft
in dein ganz eignes Streben, Suchen
so hast du mich auch nicht verstanden
obwohl dir das einmal zu eigen war
es ist wohl viel, viel Zeit vergangen
und nun steht jeder ganz alleine da

Jänner 2003

Sonntag

Worte

tragen Worte Leben aus mir fort
und sterben sie, wenn du sie liest
kann es dann sein, daß du es weißt
und deshalb meine Briefe meidest
so schweigst du
weil du mich noch liebst
und wenn ich eine Antwort abverlange
so mach ich dich
zum Henker meiner selbst

tragen Worte Leben aus mir fort
und sterben sie, wenn du sie liest
will ich dir dann mein Leben schenken
um es durch dich erst wieder zu entdecken
so soll mein altes Leben ruhig welken
und in deiner Liebe neu entstehen
doch liest du Wort für Wort
und deine Freude schwindet
bis es ganz still wird um dich her

tragen Worte Leben aus mir fort
und sterben sie, wenn du sie liest
dann möcht ich handeln
und mit Taten Liebe zeugen
doch du bist fort
und meine Gesten gehn ins Leere
so verstumm ich, um zu leben
in einer stillen Welt
aus einsamen Gedanken

März 2003

Samstag

Anmaßung

ich spüre keinen Frieden mehr im Herz
die Welt ist grau und nicht einmal ein Schmerz
erfüllt mich, quält mich, läßt im Leiden mich erleben
der Sinne Taumel, Tief und Höhen
nur mehr Erinnerung sind Liebe, Freude und das Glück
mit einem Menschen, dem man inniglich verknüpft,
durchs Leben gehen und die Welt entdecken -
haben wir für Momente Göttliches erblickt
so muß die Leere, die mich jetzt erdrückt
wohl Teil des Dunklen sein
wurd ich zum Priester dieses Schattenreichs?
so war ich wohl einmal ein Engel
und im Gefallen fiel ich, ohne mir des Sündenfalls jemals bewußt
aus großer Gnade in das Nichts

März 2003

Freitag

die Nacht

das ungenutzte Reich der Möglichkeiten
das uns zurückwirft
auf unser Daseins schmächtigen Kern
dringt in den stillen Schlaf des neuen Lebens
der zerstückelt wird
von Träumen, fratzengleich und fern

wenn Schatten sich des ganzen Leibs bemächtigen
die Finsternis in unsern Herzen
neue Qual gebiert
und der Tod,
des dunklen Reiches Pförtner,
die Hand zu unsrer Hilfe führt

November 2002

Donnerstag

Herbstjagd

braune Stoppelfelder
mit schwarzen Krähen
und
frierende Jäger
inmitten japsender Hunde
und
panische Rehe
in kahlen Gehölzen
und
morastige Wege
mit flüchtenden Hasen
und
erschreckender Lärm
über der ruhenden Landschaft
und
rauchende Gewehre
neben dampfenden Eingeweiden
und
fliehendes Leben
vor dem menschlichen Vergnügen
und
mildes Sonnenlicht
zu einem hässlichen Tod

November 2002

Mittwoch

Allerseelen in Venedig

wenn in den Nebeln des Herbstes
sich die nasse Weite des Meeres
mit ver verblassten Unendlichkeit des Himmels
verbindet

wenn der eisige Wintersturm
die schäumenden Wellen ans Ufer wirft
und selbst die fahle Mittagssonne hinter den grauen Schleiern
verborgen bleibt

wenn die Schreie der hungrigen Möwen
lauter und durchdringender werden
und sich am Strand die leeren Muschelschalen mit toten Algen
umgeben

wenn die dumpfen Signalhörner der rostenden Schiffe
im Nichts verhallen
und den letzten Fischern das Treibholz die Netze
zerreißt

wenn das steigende Wasser unaufhörlich
Einlaß in die Häuser begehrt
und längst alle Plätze und Gassen
überflutet

dann ertragen selbst die Toten in ihren Gräbern
die Einsamkeit nicht mehr
und rufen uns zu sich, damit wir sie nicht
vergessen

November 2002

Dienstag

Jahreswechsel

das neue Jahr
die alten Sorgen
noch gestern war
die Lösung 'morgen'

Montag

Könige

der blaue Wald zerfließt im nassen Staub der Zeit
und goldne Vögel springen katzengleich ins Nichts
ein toter Schrei entfährt dem närrisch lauten Licht
denn grelle Finsternis flammt auf am Horizont des Seins
nun speien die Münder Klagen und aus den leeren Augen klaffen Tode
und blutend rote Gischt kriecht in die morschen Kirchenmauern ein
das dröhnend stampfende Getier wirft Blitze in den Schlund der Macht
und brennend quillt Verachtung aus der wunden Brust hervor
doch stumme Henker ziehen das Lachen auf auf goldgeborstne Haken
denn dunkle Felder brechen ein in faulende Gedankenstränge
deren wütendes Gebell zu den samtnen Treppen der Altäre rinnt
gestützt auf modrige Gebeine frißt sich die Herrschaft in die tauben Seelen
und der Kronen Totentanz verklingt im Abgrund kalter Eitelkeit

Jänner 2003

Sonntag

Stille

Muntere Meisen springen geräuschlos von Ast zu Ast -
Stille
der Nebel läßt die kräftigen Farben des Herbstes erblassen -
Stille
selbst der Regen gleitet nur zaghaft zur Erde nieder -
Stille
kein Wort wird an einen gerichtet -
Stille
die zarte Hand, die einen gestreichelt hat, fehlt -
Stille
und das Ticken der Zeit wird hörbar -
Stille
das bekannte Leben zerfließt in konturlosem Grau -
Stille
die entschwundene Liebe hat das wärmende Feuer gelöscht -
Stille
Sie ist gegangen und hinterläßt -
...

November 2002

Samstag

Augenblicke

Augen, die herum sehen
Augen, die nach mir spähen

Augen, die mich ansehen
Augen, die zu mir streben
Augen, die die Liebe sehen
Augen, die an mir kleben -
Augen, die verschmitzt erzählen
Augen, die nur mich erwählen

Augen, die sich zu mir stehlen
Augen, die mir zusehen
Augen, die auf mich sehen
Augen, die zu mir aufsehen
Augen, die mich aufheben
Augen, die zu mir stehen
Augen, die mir Trost geben

Augen, in denen Tränen stehen
Augen, die mich anflehen
-
Augen, die mir nachsehen


September 2002