Donnerstag

geliebt

schließ deine Augen und erinner dich
hol tief Luft - kannst du mich wieder riechen
spürst du die Wärme und auch mein Gewicht
in jener Nacht als leise Tränen fließen

öffne deinen Mund und laß die Finger
über deine Lippen streichen
erkennst du meine Hand
die meiner Liebe Ausdruck führt

dreh deinen Kopf und horch
dringen vertraute Laute an dein Ohr
als wir längst aufgehört
uns nur mit Worten zu umspielen

bist du nun müde und liegst nackt
verwundbar wie das zarte Licht der Nacht

das über deinen Körper fließt
erschöpft und einsam in der Dunkelheit

hast du bewußt vergessen
und ist die Erinnerung nun wieder da
sind Freud und Leid dir wieder
wie zwei lästige besorgte Brüder

ich bin fort doch bleib ich immer da
denn ich hab mich in dir verloren
schließ meine Augen und erinner mich
spürst du das meine Tränen fließen

Mittwoch

Ende


Bis hier her habe ich alle Gedichte zu einem früheren Zeitpunkt geschrieben.
Ich habe sie nun gesammelt in diesem Blog veröffentlicht, was keine leichte Entscheidung gewesen ist.

Ich weiß nicht, ob neue folgen, denn die meisten Gedichte waren Ausdruck einer emotional heftigen Zeit die besondere Umstände verursacht hatten.

Freitag

Regentropfen

es wird düster und grau
der tief blaue Himmel, die strahlend weißen Wolken sind verschwunden
die Herkunft verschleiert
fallen sie aus dem Nichts
manchmal zaghaft und zart
dann wieder wütend und prasselnd

Millionen, Milliarden vielleicht
sind sie nichts als Wasser
stürzendes, fallendes, verwehtes Wasser
ergeben zusammen einen Fluß oder sogar einen kleinen See
und doch unterscheidet sie etwas
ist ihr Wesen anders

sie sind einzeln, sind losgelöst aus der Masse
wurden zu eigenen Körpern
zwar nur für kurze Zeit
für die Dauer des Herunterfallens, des Sturzes aus dem Himmel
danach, auf der Erde, werden sie wieder was sie immer waren
Regenwasser - Wasser

jeder Tropfen hat seine eigene Geschichte
so unwesentlich sie auch sein mag
doch nur in ihrer Gesamtheit werden sie von uns wahrgenommen
werden empfunden und gespürt
wir wissen, daß es viele sind
wann sind sie entstanden
wie weit sind sie gefallen
wo treffen sie auf
wer weiß es

sind sie nicht sehr menschlich
kommen aus dem Himmel
und stürzen - fallende Engelstränen vielleicht
das Ende gewiß

das bildet unsere Gemeinsamkeit
aus der wir alle kommen und
in die wir wieder eintauchen werden
spielt da ein einzelnes Leben eine Rolle
trostlos
nein, hoffnungsvoll
ein Regentropfen entsteht aus dem Meer
und geht im Meer wieder auf
aus dem er wieder neu entstehen wird
doch er geht nie verloren

wir Menschen
von irgendwoher kommen wir
und nach dem Leben gehen wir irgendwohin weiter
wenn wir unser Meer nicht kennen
heißt das nicht, daß es nicht trotzdem da ist

November 2002

Donnerstag

Marillenblüte

Im Blütenregen freier Zeit
entschwindet Schönheit leise
und der schwere Duft verströmt
im grellen Sonnenlicht
zur schon verlöschenden Erinnerung
auf kahlen Ästen tanzt
noch summend Fröhlichkeit
berauscht im Jetzt und trunken
von des Lebens Süße
fallen blasse weiße Tode nieder
die eine Geburt bekränzen

April 2003

Mittwoch

Frühling im Seewinkel

leise klirrt im Takt der Wellen das zerbrochne Eis
und große weiße Vögel schweben elfengleich am Wasser
welch ein Anblick, welch eigene Musik erfüllt die Luft
wo warst du Zauberland, daß ich dich jetzt entdecke

lautlos ziehen Rehe aus dem Röhricht auf das frische Feld
wo muntre Hasen sich schon sorglos tummeln
noch nie hab ich euch bisher so gesehen, als Geschwister
möcht mich zu euch gesellen und endlich Frieden schließen

ungeschaut wärmt nun die Frühlingssonne wieder jede Kreatur
erweckt mit ihren Strahlen, einer Schöpfung gleich, zu neuem Leben
und ich spüre was uns eint ist diese Kraft, ist diese unteilbare Freude
so bin ich wieder heim gekommen und betrete frohen Herzens diesen Kreis

März 2003

Dienstag

Du und ich

du bist die Erweiterung meines Lebens
durch dich nehme ich eine andere Welt wahr
keine, die mir fremd ist
sondern eine vermisste
eine, die mich runder macht
die mein Leben in einem vollständigeren aufgehen läßt

du bist die geliebte Auslöschung
durch dich bin ich nicht mehr notwendig
denn ich gehe auf
in einem weiteren Sein
in einer ersehnten Vollkommenheit
die mir alleine immer verwehrt geblieben ist

du bist die Überwindung meiner Trennung
in dir gehe ich unter und verlösche
um gemeinsam neu zu erstehen
um etwas fortzusetzen
das vor langer Zeit einmal angefangen hat -
den Faden des Lebens weiterzuspinnen

Oktober 2002

Montag

Sie II

ich webe dir einen sonnen-goldenen Sari
und du wirst meine Shakti sein

ich färbe dir einen lotus-blauen Kimono
und du wirst meine Geisha sein

ich schmiede dir eine silber-schimmernde Rüstung
und du wirst meine Jeanne d'Arc sein

ich nähe einen durchscheinenden Hauch aus Seide
und du wirst meine Aphrodite sein

ich gerbe für dich das feinste Leder
und du wirst meine Squaw sein

ich schneidere dir einen purpurroten Wams aus Samt
und du wirst mein Herold sein

ich schlüpfe in deine samtig weiche Haut
und du und ich werden Eins sein

Oktober 2002

Sonntag

die Geschichte (Fragment)

Ich weiß nicht ob sie stimmt
ich hörte nur davon erzählen
doch glaubt mir
wenn man sie mir nimmt
dann würde sie mir fehlen.

Dort draußen kennt sie jedes Kind
und ganz gewiß die alten Seelen
denn wirklich jeder
hört sie gern, bestimmt
...

Wenn irgendwer mit ihr beginnt
wie einst es sich hat wohl begeben
die Worte und die Sätze spinnt
von jenem alten Leben
dann ist's als ob die Zeit verrinnt
und sie sich zuträgt eben.

...

Samstag

ein Berggedicht (Fragment)

ein stattliches Gebeinhaus
ungezählter Meerestiere
einst in Tiefen uns verborgen
steht der Karner nun im Land
und bezeugt das einst'ge Leben
das in maßloser Verschwendung
uns gemahnt

ein ries'ger Grabstein
dessen Inschrift
tiefe Einsicht prägt
hat sie das Leben selbst geschrieben
doch zum Lesen fahlt uns der Verstand
sind wir wie Würmer
überschätzt und wohl verdammt

der mannigfache Tod
begründet diesen Berg
und strotzt als Friedhof heut vor Leben
doch ist's, wie auf allen Gräbern, gleich
...

Freitag

Für S.

Ich gehe wieder Schritt für Schritt
zurück, aus diesem Leben
das irgendwann mal unsers war
und du, stehst nur daneben
und siehst zu
hältst mich nicht fest
und läßt mich einfach gehen
denn meine Nähe war für dich
schon lange nicht mehr Ziel
zur Last war sie geworden
die dich erdrückte
und die Luft genommen
du sagst, du hättest mir verziehen
denn ich hab dich betrogen
doch diese Schuld kann ich nicht tilgen
im Nachhinein ist viel verkehrt
und sehnend haben wir längst begriffen
unsere Liebe war viel wert
doch führt die Zeit nicht mehr zurück
so lassen beide wir geschehen

April 2003

Donnerstag

Nachtfahrt

Lichter - Lichter - Lichter
Tropfen
Lichter - Lichter
Regentropfen
zahllos prasseln sie gegen die Scheibe
Lichter - Lichter
fließen auseinander, ineinander
bilden kleine Rinnsale
werden zur Seite gewischt
Lichter - Lichter
die Tropfen zerstreuen den Lichtschein
in funkelnde Reflexionen
Lichter - Lichter - Lichter - Lichter
der Regen löst die Umrisse auf
läßt sie unscharf werden
die Umgebung verliert sich
im Wasser, im Licht
Lichter - Lichter
die roten Rücklichter
rinnen aus, zerfließen im Wasser
färben die Straße
Lichter - Lichter
rotes aufgelöstes Licht, überall
das Licht der Liebe, in einer feuchten Nacht?
Lichter - Lichter - Lichter - Lichter
das Licht der Friedhöfe auf einer nassen Straße?
Lichter - Lichter
unklar, unscharf, unter den beständigen Laternen
den gelben Maßzeichen des zurückgelegten Weges
der verflossenen Zeit
Lichter - Lichter - Lichter
rot leuchtet es auf, flackert - Bremslichter
oder neue Kunden?
frische Tote?
Lichter - Lichter - Lichter - Lichter
Wasser
vom Himmel gefallen
von der Straße aufgewirbelt
ertränkt das Licht
das Leben
Lichter - Lichter
doch Totenlichter

Dezember 2002

Mittwoch

zu spät

ich bin für dich bereit!
ich war es für dich, doch du hast mich so lange warten lassen
ich will mit dir leben!
das weiß ich nicht mehr, auch Wünsche vergehen
ich will bei dir sein!
das wollte ich auch, früher
ich sehne mich nach dir!
spürst du nun, wie weh es tut, nicht lieben zu können?
ich will an deiner Seite sein!
da gibt es jetzt jemanden - ich war zu lange allein
ich liebe dich!
ich dich auch, immer noch, irgendwie - aber es ist zu spät
du fehlst mir!
so lange hast du mir gefehlt, bis ich dich hab ziehen lassen

und wenn ich auf dich warte?
ich wollte dir alles geben, doch nun kann ich dir nichts mehr versprechen

Dezember 2002

Dienstag

Hoffnung

nach meinem Tod
will verbrannt ich werden und die Asche
soll auf eines Berges Gipfel
in den Wind
geworfen werden
damit für immer
ich in der geliebten Landschaft
existieren kann

dann werde ich
auf Fels und Stein verweht und die Sonne
wird mich wärmen
und der Regen
wird auf mannigfachen Wegen
die kein Mensch ersteigen kann
den ganzen Berg
mir zeigen

einer neuen Zeit
werd ich dann angehören und mit dem Berg
einen ganz andern Pulschlag fühlen
so, für Jahrhunderte entrückt
werd in der Landschaft ich dann weiterleben
und wenn es mich beglückt
an eurem Treiben
Anteil nehmen

November 2002

Montag

Du warst da

du warst da
und wie ein warmer Frühlingsregen
nach einem langen Winter
bist du wieder in mir eingezogen

denk ich nun an dich
quillt dieser Regen
sanft hervor aus meinen Augen
und hinterläßt wie du
etwas Glanz in meinem Leben

sacht küsste ich
die Tränen aus deinem Gesicht
und ließ meine Lippen
nur zu gerne mit deinen
Zwiesprache halten

des kalten Windes
hätten wir gar nicht bedurft
denn auch so fand deine Hand
sich gerne in meiner wieder
um sich an Liebe zu erwärmen

unsere Vereinigung
bloß meine streichelnden Finger
auf deinen warmen Wangen
doch deine Augen
erzählten mir mehr

wir hielten einander
und die Zeit war wieder da
lächelte uns für einen Augenblick zu
und ließ uns unsere Liebe leben

Dezember 2002

Sonntag

wie eine Rose (Fragment)

wie eine Rose
die schon als Knospe geschnitten wird
wie ein sonniger Wintertag
den man nur vom Bett aus gesehen hat
wie ein schöner Gedanke
den man sich nicht merken konnte
wie ein Geschenk
das man nicht mehr überreicht hat
wie die Apfelblüten
die der späte Frost erwischt
wie eine laue Sommernacht
die die Morgendämmerung zu früh beendet
wie ein Buch
dessen letzte Seite fehlt
wie ein Essen
das noch am Teller kalt geworden ist
wie ein Schluck Wasser
der einem an einem heißen Tag zwischen den Fingern zerrinnt
wie ein Kind
an dessen Grab man steht

Jänner 2003

Samstag

Zweifel

ich will nicht mehr leben
noch will ich hier sein
von vielen Menschen umgeben
bin ich doch nur allein
die Ziele des Lebens
sind schon lange nicht mein
und so lebe ich Tage
die mich nicht befrein
von Gedanken ans Ende -
werd ich dann bei mir sein?

einst konnte ich leben
meine Jugend war rein
doch mein hoffendes Streben
erstarb mir im Keim
ich wollt es noch hegen
mein Leben, mein Sein
doch mir wars nicht gegeben
und seit dem gedeihn
für euch fremde Gedanken -
könnte ich nur wie ihr sein!

du bist noch zugegen
und du kennst meine Pein
doch deine Hilfe - vergebens
denn sie findet nicht rein
in meine Welt der Gefühle
mein Glück und mein Freun
bleiben dir meist verborgen
denn so soll es wohl sein
wenn ich trotzdem Freude dir gebe
bin ich dein Bruder Kain?

so steh ich am Abgrund
und der Schritt der ist klein
wenn die Angst nicht da wäre
"sollt auch das umsonst sein?"
ich zaudre und zögere
möchte nach Hilfe schrein
doch was will ich erwarten
und so laß ich es sein -
auch in einem anderen Leben
ist man doch nur allein

Dezember 2002